Wohnraummiete: Kündigungsfrist für einen im Beitrittsgebiet vor Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches der DDR geschlossenen Nutzungsvertrag
Gericht: AG Brandenburg

Datum: 15. Mai 2001

Az: 32 C 501/00

Leitsatz

Enthält der vor Inkrafttreten des ZGB der DDR vereinbarte Nutzungsvertrag für Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften keine Regelung über von dem Mieter zu beachtende Kündigungsfristen, so gilt mit Inkrafttreten des ZGB DDR die gesetzliche Zwei-Wochen-Kündigungsfrist, die weiterhin seit dem 3. Oktober 1990 Gültigkeit behalten hat (Anschluss KG Berlin, 22. Januar 1998, 8 RE-Miet 6765/97, WuM 1998, 149).

Fundstelle:
WuM 2001, 282-283 (Leitsatz und Gründe)

Gründe

(aus Wohnungswirtschaft und Mietrecht WuM)

Gemäß Artikel 232 § 2 Abs. 1 EGBGB richten sich Mietverhältnisse/genossenschaftliche Nutzungsverhältnisse an Wohnungen im Beitrittsgebiet aufgrund von Verträgen über Wohnräume, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts der neuen Bundesländer geschlossen worden sind - wie hier -, seit dem 3. Oktober 1990 - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - nach den Vorschriften des BGB. Das Einführungsgesetz knüpft damit an die bestehenden, unter Geltung des ZGB der DDR bzw. bereits davor unter Geltung des BGB geschlossenen Mietverträge an und stellt sie den unter der Geltung des BGB vereinbarten gleich. Vertragliche Regelungen, die unter Geltung des ZGB der DDR bzw. unter Geltung des BGB in der Fassung der DDR bis zum 31. 12. 1975 wirksam vereinbart wurden, gehen daher den Vorschriften des nunmehrigen BGB vor, soweit sie nicht gegen zwingendes Recht verstoßen (KG Berlin WM 1998, 149ff.). In vorliegender Sache wurde bei dem zwischen den Prozessparteien vereinbarten "Nutzungsvertrag für Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften" jedoch eine ausdrückliche Kündigungsfrist nicht vereinbart, sondern lediglich, dass "der Nutzungsvertrag mit der Beendigung der Mitgliedschaft in der AWG oder bei Aufgabe der Wohnung durch das Mitglied nach entsprechender Vereinbarung mit dem Vorstand der AWG erlischt". Insofern kann hier von einer vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist - wie sie dem Rechtsentscheid des Kammergerichts Berlin vom 22. Januar 1998 zugrunde lag (WM 1998, 149ff.) - wohl nicht ausgegangen werden.

Im vorliegenden Fall ist insofern zudem § 2 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum ZGB der DDR zu beachten, demzufolge das ZGB der DDR auch auf alle bei seinem Inkrafttreten bestehenden Zivilrechtsverhältnisse anzuwenden ist, soweit in dem Einführungsgesetz zum ZGB der DDR nichts anderes bestimmt ist. Diese Bestimmung des § 2 des Einführungsgesetzes zum ZGB der DDR enthält die grundlegende Norm über die zeitliche Anwendung des ZGB der DDR, die durch die Bestimmungen der §§ 5-11 des Einführungsgesetzes zum ZGB der DDR ergänzt und modifiziert wird. Die Anwendung des ZGB auf alle bei seinem Inkrafttreten, d. h. ab dem 1. 1. 1976, bestehenden Zivilrechtsverhältnisse in der ehemaligen DDR, d. h. in den neuen Bundesländern, bedeutet, dass sich der Inhalt existierender Rechte und Pflichten ab dem 1. 1. 1976 nach dem ZGB der DDR bestimmte und nicht mehr nach dem BGB (Kommentar zum Zivilgesetzbuch der DDR und zum Einführungsgesetz, Staatsverlag der DDR 1985, § 2 EGZGB, Seite 506, Rn. 2.2.). Diese Rechte und Pflichten haben dem entsprechend ab dem 1. 1. 1976 den Inhalt erhalten, der im ZGB der DDR dafür festgelegt war. Dies betraf alle zur Rechtsstellung gehörenden Befugnisse und Rechte.

Bei der Anwendung auf Vertragsverhältnisse, welche vor dem 1. 1. 1976 vereinbart wurden - wie hier zwischen den Prozessparteien -, war insofern zu beachten, dass der Inhalt bei Verträgen, die auf wiederkehrende Leistungen oder auf eine dauernde Gebrauchsüberlassung gerichtet waren (wie z. B. Wohnungsmietverträge und Nutzungsverträge über Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften), sich ab dem 1.1.1976 ausschließlich aus der entsprechenden Bestimmung des ZGB der DDR ergab (Kommentar zum ZGB der DDR und zum Einführungsgesetz zum ZGB der DDR, Staatsverlag der DDR 1985, § 2 EGZGB, Seite 506, Rn. 2.3.; OG der DDR, NJ 1977, 90; OG der DDR, NJ 1978, 362; OG der DDR, NJ 1978, 360; OG der DDR, NJ 1982, 331; OG der DDR, NJ 1985, 120; OG der DDR, NJ 1981, 43f.; OG der DDR, NJ 1986, 426f.; OG der DDR, NJ 1988, 509f.; OG der DDR, NJ 1989, 80f.; OG der DDR, NJ 1989, 258f.). Dies betrifft die Rechte und Pflichten der Vertragspartner, die Möglichkeiten zur Gestaltung und nicht zuletzt auch zur Beendigung des Vertragsverhältnisses. Folglich richtete sich z. B. die Beendigung von Nutzungs-/ bzw. Mietverträgen, die vor dem 1. 1. 1976 geschlossen wurden und bei Inkrafttreten des ZGB der DDR noch bestanden haben - wie hier -, ab dem 1.1. 1976 nach dem ZGB der DDR (OG der DDR, NJ 1977, 90; OG der DDR, NJ 1978, 362; OG der DDR, NJ 1978, 360; OG der DDR, NJ 1982, 331; OG der DDR, NJ 1985, 120; OG der DDR, NJ 1988, 509; OG der DDR, NJ 1989, 258; OG der DDR 1981, 43f.; OG der DDR, NJ 1986, 426f.; OG der DDR, NJ 1989, 80f.). Da insofern hier in dem zwischen den Prozessparteien vereinbarten "Nutzungsvertrag" eine Kündigungsklausel mit einer Kündigungsfrist somit nicht vereinbart war, galt gemäß § 2 Abs. 2 des 5 Einführungsgesetzes zum ZGB der DDR hier die Kündigungsfrist von zwei Wochen gemäß § 120 Abs. 2 des ZGB der DDR. Zwar war die Anwendung von § 120 Abs. 2 ZGB der DDR nicht verbindlich vorgeschrieben (vergleiche § 45 Abs. 3 Satz 1 ZGB der DDR; KG Berlin WM 1998, 149f.). Insofern ist hier - wegen des Fehlens einer vertraglichen Vereinbarung einer Kündigungsfrist - jedoch die gesetzliche Regelung des §120 Abs. 2 ZGB der DDR zum 1. 1. 1976 zwischen den Prozessparteien kraft Gesetzes vereinbart worden und insofern auch Bestandteil dieses Vertrages geworden.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das erkennende Gericht der Rechtsauffassung, dass diese hier kraft Gesetzes somit ab dem 1. 1. 1976 geltende Zwei-Wochen-Kündigungsfrist gemäß § 120 Abs. 2 ZGB der DDR durch den Einigungsvertrag nicht aufgehoben wurde und seit dem 3. Oktober 1990 auf diesen "Nutzungsvertrag" die Regelungen des BGB hinsichtlich der Kündigungsfrist auch nicht anzuwenden sind. Da diese gesetzliche Regelung nämlich seit dem 1. 1. 1976 zwingend Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung der Prozessparteien wurde, hätte diese ab dem 3. Oktober 1990 nur dann unwirksam werden können, wenn diese einschlägige zwingende Norm des § 120 Abs. 2 ZGB durch eine andere zwingende Norm seit dem 3. Oktober 1990 ersetzt worden wäre. Nur dann würde die Unwirksamkeit dieser kraft Gesetzes seit dem 1. 1. 1976 geltenden Vereinbarung aus einem neuen zwingenden Gesetzesrecht entstehen.

Eine zweiwöchige Kündigungsfrist - wie in § 120 Abs. 2 ZGB der DDR geregelt -, deren Beginn nicht auf einen festen Tag des Monats gelegt ist, sondern nur vom Zugang der Kündigungserklärung abhängt, verstößt aber nicht gegen das im BGB normierte zwingende Recht (KG Berlin WM 1998, 149ff.). Nach der Regelung des BGB können die Parteien für die Kündigung durch den Mieter nämlich durchaus eine kürzere Frist vereinbaren, ohne dass hierfür gesetzlich eine Mindestzeit vorgegeben ist. Ferner ist es zulässig, eine nach festen Zeitabschnitten bemessene Kündigungsfrist zu vereinbaren, für die ein bestimmter Kündigungstag nicht unbedingt festgelegt werden muss (KG Berlin WM 1998, 149ff.), so dass das erkennende Gericht hier davon ausgeht, dass die ab dem 1. 1. 1976 kraft Gesetzes zwischen den Prozessparteien geltende Frist des Mieters zur Kündigung des Mietverhältnisses von zwei Wochen (§ 120 Abs. 2 ZGB der DDR i. V. m. § 2 Abs. 2 Einführungsgesetz zum ZGB der DDR) weiterhin Gültigkeit hat und dem entsprechend hier die Beklagte fristgerecht das Nutzungs-/Mietverhältnis mit Schreiben vom 7. Februar 2000 zum 1. 3. 2000 aufgekündigt hat.

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